Bonn, wir müssen reden!

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Es fing alles grandios an, damals 2020. Mit dem Wahlsieg der aktuellen Ratskoalition. On top Katja Dörner als grüne Bürgermeisterin, die sich schon in ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete für die Belange des Bonner Radverkehrs interessiert hat. (Nein, das haben wir nicht vergessen, Katja!) Mit einem fulminanten Ergebnis des Bürger:innenbegehrens „Radentscheid Bonn“. Bei Bevölkerung und im Rat überwältigende Zustimmung. Sogar die Déus-CDU hat den Radentscheid mit beschlossen – unglaublich! 

Wir waren im siebten Himmel!

Goldbergweg

Natürlich war klar, dass nicht am Montag nach der Wahl die Asphaltiermaschinen anrücken. Große Dinge brauchen große Planungen. Und damit wir uns nicht missverstehen: Wir glauben nach wie vor daran, dass die Verkehrswende der politischen Führung eine Herzensangelegenheit ist und dass es auf fast allen Ebenen der Stadtverwaltung auch engagierte Kämpfer:innen für dieses Projekt gibt! 

Wir wissen auch um die Schwierigkeiten, unwillige oder phlegmatische Beteiligte mitzuziehen und zu motivieren. Wir wissen, wie lange Planungsverfahren im Allgemeinen dauern. Und natürlich bekommen wir Alle jeden Tag mit, wie hart es ist, gegen die rückwärtsgewandten Nervensägen bei IHK, CDU, FDP und nicht zuletzt unser aller Lieblingszeitung anzukämpfen. 

So, und jetzt kommt das „Aber“!

Reuterbrücke 2017-2023

Jetzt, nach der halben Legislaturperiode und zwei Jahre nach Annahme des Radentscheides muss so langsam mal klar werden, wo die Fahrradreise hingehen soll! Wird das der große Wurf oder doch nur der kleine Bikepacking-Overnighter mit Wildcampen? 

Es kann einfach nicht sein, dass sich das Projekt Verkehrswende auch nach zweieinhalb Jahren noch ohne Masterplan präsentiert. Bzw. nicht präsentiert. Dagegen sind die Panzerlieferungen von Scholz eine Kurzschlussreaktion. 

Woran liegt es denn, Bonn? Wo ist Eure Vision? 

Hausdorffstraße

Was ist Eure konkrete Idee von der Verkehrswende? Haben wir uns am Ende missverstanden? Geht es nur darum, die größten Katastrophen in Stückchenarbeit zu beseitigen? So etwas „Fahrradhauptstadt 2020“ und ein bißchen „Raddialog“? Hier 50cm mehr Rheinauenradweg und da die schlimmsten „Mordstreifen“ im Mischverkehr sowie die Trampelpfade mit Benutzungspflicht beseitigen? Oder soll doch die große Einladung an alle Menschen in Bonn ausgesprochen werden, gerne das Fahrrad zu benutzen? Wollt Ihr ein „Utrecht“, oder doch nur ein „Münster“? Für ersteres fahren wir. Jeden Monat am letzten Freitag.

Wollt ihr

„Eine lebenswerte, kinderfreundliche und klimagerechte Stadt, in der sich alle sicher bewegen können.“

(Initiative Radentscheid Bonn)

Fragezeichen!

Baumschulallee

Solange wir Eure Vision nicht erkennen können, werden wir uns immer wieder an halbherzigen Umsetzungen stören und uns streiten. Bornheimer Straße! Kölnstraße! „Uni trifft City“! Geht das jetzt so weiter? Müssen wir einen Kampf führen, der zwischen Bäumen und Grünflächen auf der einen und Radwegen auf der anderen Seite entschieden wird? Um jeden Abstellbügel diskutieren? Und wollen wir uns dabei von GA und Citymarketing e.V. den Diskurs diktieren lassen? Oder wollen wir (ja, „wir“!) die ganze Bäckerei?

Lievelingsweg

Eine deutliche Mehrheit der Bonner:innen steht hinter Euch!

Die Hardcore-Autofraktion führt verzweifelte Rückzugsgefechte. Wir sind blöd, wenn wir das Momentum nicht nutzen! Die Voraussetzungen sind so günstig wie nie – aber die Zeit drängt: Sowohl was die politischen Rahmenbedingen in Bonn, als auch die klimatische Entwicklung weltweit angeht, wird der „Sweet Spot“ nicht ewig währen. 

Wenn wir diesen Plan – Eure Vision – sehen, liebe Stadt Bonn, dann sind wir auch geduldig, atmen einmal tief durch, wärend wir das Ordnungsamt anrufen, weil mal wieder der Radweg zugeparkt ist, und kämpfen Euch jederzeit mit größtem Vergnügen den Weg frei. Aber momentan platzt uns* einfach nur der Kragen.

*uns, das sind die Aktiven der Critical Mass, aber auch sehr viele der Menschen in Bonn, die in irgendeiner Weise mehr mit Fahrrädern zu tun haben, als einmal im Jahr in die Rheinaue zu fahren. Das Geschriebene ist eine subjektive Essenz aus vielen Gesprächen über einen längeren Zeitraum innerhalb der Bonner Radbubble.

5 Antworten

  1. Helga

    Vielen Dank, dass ihr das ansprecht!
    Es gibt schon einige Verbesserungen, um fair zu sein.
    Aber es passiert mir recht häufig, dass ich auf unzulänglichen Radwegen „rum hoppel“ über Baumwurzeln, durch größere Löcher, an parkenden Autos vorbei… auf zu schmalen Wegen mit genervten Fußgängern usw.
    Wir sind hier in Bonn leider noch sooooo weit entfernt von einem vorbildlichen Radfahr-Wege-Netz wie in Kopenhagen. Schade.

  2. Michael

    Ich hatte bis vor einigen Jahren in Karlsruhe studiert und die Fahrradinfrastruktur war deutlich besser in Bonn. Als mittelgroße, junge Studierendenstadt hätte Bonn alle Möglichkeiten, Fahrradstadt zu werden, in der das Fahrradfahren als normal empfunden wird, nur wird das Potential kaum genutzt. Leute wie ich haben zwar kein Problem einfach auf der Straße zu fahren. Meine Freundin zum Beispiel kommt aber nicht aus Deutschland und ist nicht auf dem Fahrrad aufgewachsen. Sie kann zwar Fahrrad fahren, traut sich aber nicht, sich die Straße mit Autos zu teilen oder schmalste Fahrradstreifen zu benutzen Sie meint auch, einige Stellen seien jetzt besser, aber wenn sie sich auf dem Arbeitsweg von A nach B nicht überall sicher fühlt, bringt das nichts. Ich glaube, sowas ist typisch, auch bei Leuten die hier aufgewachsen sind. Für NRW-Verhältnisse steht Bonn vielleicht nicht schlecht da, aber das sollte nicht Maß der Dinge sein, Bonn könnte Vorreiter in NRW werden.

  3. Tom

    Um -ganz- fair zu bleiben, es gibt aber auch Rückschritte,

    – wie z.B. meine seit Oktober unbearbeitete Straßenschadensmeldung an das Tiefbauamt der Stadt Bonn (wonach auf der Fahrbahn in der Kaiserstraße von City aus kommend auf Höhe der Bushaltestelle Schedestraße ein kleiner (Durchmesser ca. 15 cm) Kanaldeckel geöffnet ist und im Dunkeln insbesondere für RadfahrerInnen und FußgängerInnen eine Gefahr darstellt,)

    – die ca. 10% der Busfahrer, die trotz eines entsprechenden Aufklebers auf ihrem Bus den Abstand von 1,5m zu RadfahrerInnen auf gut 0,5 m verkleinern,

    – die völlig verfehlte und völlig unklare Beschilderung für RadfahrerInnen auf dem Straßburger-Weg.

    Leider sind das nur ganz wenige Beispiele für die sehr katastophale Fahrradinfrastruktur in Bonn. Es ist daher nur ein kleiner Trost, dass man aktuell zumindest das Gefühl vermittelt bekommt, dass für den Radverkehr mehr gemacht wird.

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